Mittwoch, 8. August 2012

Kreuzweg in Birkenau

Heute, am 8. August und Vortag des Festes der hl. Edith Stein, haben wir Birkenau besucht, wo sie gestorben ist.
Dieser Ort ist auch "Auschwitz II" genannt, weil das Konzentrazionslager Auschwitz mit der Zeit sehr groß wurde und wiederum in drei Bereiche unterteilt wurde.
Birkenau ist ein großes Gebiet, das erst nach 1942 ausgebaut wurde - besonders um die häufigeren Judentransporte aufzunehmen. Es wurde insgesamt viel größer als das Stammlager Auschwitz.
An sich waren sogar schon Pläne für eine Erweiterung (Verdoppelung!) der Anlage bereit... nachdem die "Endlösung" immer radikaler verfolgt wurde. Das Ende des Krieges verhinderte die Ausweitung.

Pfr. Dr. Deselaers wählte für unseren Besuch nicht dir Form der Führung, sondern das Gebet des Kreuzweges. In Stille und Andacht wurden wir also durch 14 Stationen geführt, an denen Bibelstellen, Erinnerungen von Lagerhäftlinge und Gebete vorgetragen wurde.





In Birkenau wird das Gefühl für "fabrikmäßige MEnschenvernichtung" noch deutlicher. Einerseits wegen der Ausdehnung der ganzen Anlage. Andererseits auch durch die fast vollständige Abwesenheit von musealen Objekten, die einem vorgeführt werden - wie doch im Stammlager. Es ist aussergewöhnlich nüchtern und karg, eine Art trostlose Wüste.

Einige Gebäude, besonders die Krematorien, sprengten sogar die SS kurz vor der Befreiung des Lagers, um Beweise für den Holocaust zu vernichten.
Die heilige Edith Stein kam hier 1942 an, also noch vor dem großen Ausbaus. Damals waren die großen Krematorien noch nicht gebaut worden, sondern die Vergasungen fanden in zwei Bauernhäusern, die neben dem Lager waren und für diesen Zweck umfunktioniert wurden.
Die Häftlingen wurde in der Nähe des Hauses vollkommen entkleidet und wurden nach der Vergasung auf den benachbarten Wiesen oder in einer nahen Grube verbrannt. Zu der Zeit gab es also noch keine Öfen in Birkenau.

Während des Kreuzweges gab uns Pfr. Deselaers auch einige Erläuterungen zum jeweiligen Ort.
Das Lager hatte bis 80.000 Insassen gleichzeitig! Diese waren in Gruppen unterteilt, nach Geschlecht aber besonders auch nach Nationalität.
Zuerst hatte Birkenau die Funktion des Arbeitslagers für politische polnische Gefangenen, aber bald bekam es mehr und mehr die Funktion des Massenlagers für die deportierten Juden. Am Ende (1944-1945) waren die meisten Transporte dann mit Tausenden ungarischen Juden gefüllt.

Die texte des Kreuzweges waren sehr berührend und an der Station vor dem "Weissen Haus" (dem Bauernhaus, in dem Edith Stein vergast wurde) haben wir lange geschwiegen und mitgebrachte Rosen niedergelegt. Auf dieser Wiese sind die Leichen von Tausenden Menschen verbrannt worden. Neben den späteren Krematorien war es ähnlich berührend, weil die Asche gleich in benachbarte Teiche oder auf die Wiese verstreut wurde.
Da bekommt der Ausdruck, dass "aus der Erde ein Schrei nach Gerechtigkeit erklingt" eine ganz unmittelbare bedeutung.

Wie Pfr. Deselaers gemeint hat, soll man in Birkenau die "Stimme der Erde" (polnischer Ausdruck), die "Stimme des eigenen Herzens" und die "Stimme Gottes" hören.

Aus der Meditation zur 4. Station - Jesus begegnet seiner Mutter:
Links vom Haupttor in Auschwitz II erstreckte sich ab 1942 das Lager für die Frauen verschiedener Nationalitäten. Bis Mai 1943 wurden alle im Lager geborenen Kinder auf grausame Weise ermordet: Man ertränkte sie meistens in einem Faß.
Eine Polin, Elzbieta Piotrowska, hat ihr Gedicht "Das Verhör" überschrieben:
- wer hat Euch Kinder ermordet?
- Menschen!
-was für Menschen waren das?
Haben sie Gesichter von Gespenstern gehabt?
Haben sie tierische Augen gehabt?
- Das waren gewöhnliche Menschen, Menschen wie andere, mit menschlichen Augen und Zähnen.
- Vielleicht hat sie ein Vulkan geboren?
vielleicht haben sie keine Mütter gehabt?
- Menschliche Mütter haben diese Menschen geboren.
- Haben sie keine Kinder gehabt?
- Ja, sie haben. Sie haben an sie Briefe geschrieben.
Sie haben an sie kleine Schuhe in Paketen geschickt.
- Wie haben die Menschen Euch getötet?
- Sie haben mit Gas erstickt, ins Feuer gesteckt,
an der Mauer zerschlagen, mit dem Schuh zertreten;
und wenn sie gut waren, erschossen sie uns.
- Und als sie Euch getötet hatten, was haben sie dann gemacht?
- Sie haben sich mit weißen Tüchern den Schweiß von der Stirn gewischt und gesagt:
"haben wir heute viel gearbeitet! Die Arbeit war anstrengend.
So viele kleine Kinder!"

ein weiteres GEdicht:

Dem Grauen der Tage folgt kein erslösender Schlaf
Hunger zerschneidet das Gedärm
und der Schmerz hat sich festgefressen
in den Gliedern
dem Dunkel entsteigt die Qual der Gedanken
die Seelen versinken in Einsamkeit
Alpträume beherrschen die Enge der Lager
und Schulter an Schulter mit den Leiensgefährten
erkalten die Toten
in den Nächten erlischt still das Leben
und hinterläßt eine ärmliche Spur
mit dem Ende der Leiden
stirbt auch die Hoffnung
Neben dem Menschen in seinem tiefsten Fall
kniet der Erwählte und bezeugt betend
im Ende neuen Beginn
- Erhebung aus dem Dunkel ins Licht -
und heiligt den Tod



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen